Wenn dieser Beitrag nur Wetzlar behandeln würde, hätte ich ihn auch mit „Lahn, Lotte und Leica“ betiteln können.
Wetzlar, zwölftgrößte Stadt Hessens mit knapp 55.000 Einwohnern liegt an der Lahn, genauer: am Zusammenfluss von Dill und Lahn, und bezeichnet sich als „Goethe- und Optik-Stadt“. Hier kam Goethe im Mai 1772 her, um auf Wunsch seines Vaters ein Praktikum am Reichskammergericht, dem höchsten deutschen Gericht, zu absolvieren. Viel Lust hatte er dazu wohl nicht und beschäftigte sich mit anderen Dingen und lernte so auf einem Ball Charlotte Buff kennen und verliebte sich in sie. Das war aber aussichtslos, denn sie war bereits verlobt und so verliess Goethe Wetzlar frustriert nach nur 123 Tagen schon wieder und verarbeitete die aussichtslose Liebe und den Selbstmord eines Bekannten in Wetzlar in seinem Roman „Die Leiden des jungen Werther“, einem der erfolgreichsten Romane der Literaturgeschichte durch den Goethe gleichsam über Nacht in Deutschland bekannt wurde. Goethe war da gerade 23 Jahre alt… Für mich war es eines der schlimmsten Bücher, durch die ich mich im Deutsch-Unterricht an der Schule durchquälen musste, aber damals hatte es wohl regelrechten Kult-Status erreicht. Gut, ich muss es jetzt ja nicht noch einmal lesen. Aber wir waren beim Lotte-Haus, sind durch Gassen gegangen, durch die auch Goethe gegangen sein muss und haben auch das Jerusalem-Haus gesehen (der Bekannte, der dort Selbstmord begangen hatte).
Und dann ist da noch Leica: 1913/14 erfindet Oskar Barnack in Wetzlar die erste erfolgreiche Kleinbildkamera der Welt, die Ur-Leica. Für Fotografie-Fans ist die Leica-Erlebniswelt sicherlich ein Muss…
Es gibt also viel zu sehen in Wetzlar, wenn der Regen denn mal Pause macht. Vom Stellplatz an der Lahn ist man in 15 Minuten in der Innenstadt mit schöner Fachwerk-Altstadt, netten Biergärten an der Lahn und leckeren Eisdielen.












In der Nacht regnet es stark. Es tropft beunruhigend laut und nah – und tatsächlich: durch die Dachluke (die natürlich geschlossen ist) tropft es rein. Ziemlich stark sogar, die Matratzen und Decken sind schon ziemlich nass! Wir fangen das Wasser mit einem Eimer auf, der Rest der Nacht wird unruhig, denn es hört auch nicht richtig auf mit dem Regen.
Am nächsten Morgen: vieles ist sehr nass, und bei der derzeitigen Witterung nur schwer zu trocknen. Monika föhnt den halben Vormittag die Matratzen und Decken, damit sich kein Schimmel und keine Stockflecken bilden. Leichte Panik kommt auf, wenn ich an die bisherigen Erfahrungen mit Womo-Werkstätten denke: in der Regel ausgebucht mit monatelangen Wartezeiten und auch keine Kapazitäten für Notfälle. Und irgendwo müssen wir den Wagen unterstellen, denn es ist weiterer Regen angesagt… Wir haben großes Glück, dass wir eine Werkstatt in Florstadt finden, die sich den Wagen am morgigen Samstag anschauen will. Wir können den Wagen sogar heute Abend noch vorbei bringen, damit er in die Halle gestellt werden kann. Im Nachbarort Assenheim finden wir auch noch ein Zimmer in einer Pension und beim Italiener nebenan bekommen wir noch den letzten freien Tisch. Uff!
Den nächsten Vormittag vertreiben wir uns noch mit einer Radtour und um 14 Uhr können wir unser Womo mit reparierter Dachluke (erneuerte Dichtung) wieder in Empfang nehmen! Unser erster Weg führt uns zu einer Waschstation neben einer Tankstelle, wo wir die Matratzenbezüge und Bettdecken und nassen Handtücher alle mal durchwaschen und trocknen können.



Danach erreichen wir 2 Kilometer abseits des Lahntals den Ort Braunfels mit einem netten kleinen Campingplatz. Ausruhen von der Aufregung der letzten 2 Tage. Am Sonntag wandern wir dann hinauf in den Ort und besichtigen die Burg, die sich im Laufe der Jahrhunderte eher in ein Schloß verwandelt hat mit einer gut gemachten Führung. Das Schloß wird immer noch von der Grafen-Familie Solms bewohnt und ist dementsprechend in gutem Erhaltungszustand. Die Räume, die man besichtigen konnte, boten viele Kunstschätze und viel zur Geschichte der Burg und der Familie. Sehr lohnenswert. Auch die Altstadt des Orts, die sich wie eine Vorburg um die Burg herum gruppierte, war sehr sehenswert. Aber: es geht die ganze Zeit immer nur bergauf und bergab, und das teilweise heftig!
Ein weiteres Highlight für uns war dann das Brauhaus Obermühle, und zwar gar nicht mal wegen der hier gebrauten Biere, sondern wegen der kulinarischen Spezialitäten der Region. Die „Nesterhebbes“ sind eine Spezialität der Region um Braunfels und auch von „Hutchelkraut“ (zum Bierkutscher Schweinsbraten mit Biersoß und Kartoffelklies) hatte Monika, obwohl aus Hessen stammend, bisher noch nie gehört.
Internet: Rezept für Nesterhebbes vom Brauhaus Obermühle in Braunfels














Die letzten Nächte und auch der Montag Vormittag noch waren ein guter Test für die neue Dichtung: viel Regen, aber im Womo blieb es jetzt trocken. Beruhigt fahren wir weiter, nur 12 km bis nach Weilburg, das recht malerisch in einer Lahnschleife liegt. Beziehungsweise oberhalb der Lahnschleife, denn die Altstadt ist oben und der Womo-Stellplatz unten an der Lahn. Ist aber nicht ganz so steil wie in Braunfels und wir sind ja jetzt in Übung. Nachdem der Regen endlich abgezogen ist machen wir uns auf den Weg hoch in die Stadt. Schönes Schloß mit schönem Schloßpark mit riesigen alten Bäumen. Ansonsten ist heute fast alles geschlossen und wir kochen lecker im Womo.
Weilburg war seit dem 12. Jh. in der Hand der nassauischen Grafen und als Adolph von Nassau 1890 dann Großherzog von Luxemburg wurde ging damit das Schloss in den Besitz von Luxemburg über. 1935 wurde es dann von Luxemburg an den preußischen Staat zurückverkauft. Die Fürstengruft unterhalb der Schloßkirche wurde aber damals nicht mitverkauft und ist bis heute im Besitz des Luxemburger Herrscherhauses, also ein exterritoriales Gebiet von Luxemburg…














Mehr Zeit für die Lahn haben wir diesmal nicht, denn wir sind in Bad Dürkheim verabredet. Aber wir werden noch mal wieder in diese Ecke kommen…
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